So wurde ich Maschinenbauzeichnerin, in der DDR ein Mädchenberuf!

Ich komme aus einem katholischen Elternhaus, in dem Religion eine große Rolle spielte. Mein Vater war Kirchenvorstands- und Pfarrgemeinderatsvorsitzender in Bad Dürrenberg und er leitete eine Schola und den Kirchenchor, obwohl er gar keine musikalische Ausbildung hatte. Diese Gemeinde war stark geprägt durch junge Familien, die in den Leuna-Werken Arbeit gefunden hatten.

1979 Gemeindetreffen in Lützen Foto: privat

In der katholischen Jugendgruppe kamen wir aus sieben oder acht Familien zusammen. Unsere Seelsorgehelferin hat mit uns Theater gespielt, mit uns gesungen und uns mit der Gitarre begleitet. Wir haben intensiv Fasching gefeiert und zu Christkönig gab es immer ein großes Fest in Merseburg.

Dort habe ich eine Gemeinschaft erlebt, die mich mit Leben erfüllt hat und in der ich mich aufgehoben fühlte.

1986 Hochzeit, Bruder mit Kerze Foto: privat

Zuerst wollte ich Porzellanmalerin werden, aber meine Eltern orientierten mich auf ein breiter angelegtes Berufsfeld. So wurde ich Maschinenbauzeichnerin, in der DDR ein Mädchenberuf. Die Ausbildung habe ich mit 1,0 abgeschlossen, so dass ich gleich im Anschluss Maschinenbau in Meißen studiert habe. Meine Seminargruppe war paritätisch aus Jungen und Mädchen zusammengesetzt, dort habe ich auch meinen Mann kennengelernt. Aber der Fall der Mauer hat unsere Biografien abgeschnitten und einige Karrieren verhindert.

2018 Sonntag nach Himmelfahrt, Einzug der Domherren in den Meissner Dom zum Jubiläumsgottesdienst 1050 Jahre Hochstift und zur Sitzung des Domkapitels

1991 wurde ich Gleichstellungsbeauftragte in der Stadtverwaltung und später auch für den Landkreis Meißen. Als erstes startete ich eine Umfrage, ob es genug Kindergartenplätze gibt, damit die Frauen arbeiten gehen können. Ich wusste für mich privat, dass ich nicht die Ehe meiner Eltern wiederholen wollte, aber nun lernte ich die strukturellen und die Ost-West-Unterschiede kennen. Ich sah für mich zwei Möglichkeiten, für die ich dann richtig gekämpft habe: die Besinnung auf weibliche Vorbilder in der Region, wie z.B. Louise Otto-Peters, und die Schaffung neuer regionaler Netzwerke, in denen Innovationen stattfinden können.

In einem Vortrag der feministischen Theologin Dr. Christa Mulak hörte ich zum ersten Mal, dass neben dem männlichen Gottesbild auch ein weibliches existiert, wie etwa eine Darstellung der Göttin Aschera (750-620 v. Chr.) im Bamberger Diözesanmuseum zeigt. Vor diesem Hintergrund kommt mir die Rolle der Maria in der katholischen Kirche wie ein Alibi vor, das mich schmerzt.

Maria wird in der ganzen Welt als heilige Jungfrau und Gottesmutter, als reine Magd und als Himmelskönigin verehrt. Aber aus der Bibel ist die überragende Bedeutung dieser weiblichen Gestalt im Christentum nicht zu erklären – die hingebungsvolle Frömmigkeit der Gläubigen muss sich aus anderen Quellen speisen!

Quellenangaben: Portrait Mayer 2020 in Meissen (Foto: privat)

Lebenswegstation 1

Verantwortung für Frauen übernehmen!

Als Gleichstellungsbeauftragte habe ich 1992 eine der ersten Infobörsen für Frauen in Sachsen im Meissner Rathaus organisiert. Die Infobörse war bis Anfang der 2000er Jahre ein beliebtes und gängiges Format, in dem Vernetzung zwischen regionalen Frauenverbänden, Vereinen und Firmen, den Wohlfahrtsverbänden und der Krankenkassen stattfand. An den Ständen kamen Frauen ins Gespräch, die Börse bot eine Plattform für Information und Beratung. In den Anfangsjahren wurde sie sogar noch vom Bundesministerium für Frauen und Jugend unterstützt und angeleitet.

Manchmal fragten mich die Männer, wofür man denn eine Gleichstellungsbeauftragte bräuchte. Da habe ich auch für mich selbst noch einmal viel mitgenommen an Bewusstseinsbildung, z.B. über den geteilten Arbeitsmarkt. Die Mädchen wählen immer noch zwischen den zehn typischen Frauenberufen. Unter denen rutscht dann höchstens mal die Verkäuferin von Platz 3 auf Platz 1. So landen Frauen immer wieder in der Falle, wenn sie durch private Trennungen auf sich allein gestellt sind oder auch im Alter!

22.08.2001 9. Infobörse in Meißen

Lebenswegstation 2

Besinne Dich Deiner Stärken!

Geschichte war für mich immer nur die Aneinanderreihung von Kriegen und ich musste die Jahreszahlen dazu lernen. Es mussten erst die Schwestern im Geiste aus dem Westen unsere Frauengruppe in Meißen besuchen und uns erzählen, dass hier das Geburtshaus der Louise Otto-Peters steht. Aber dann haben wir uns natürlich rückbesonnen und den Louise Otto-Peters Verein gegründet.

Ich habe mir ihre „Adresse eines Mädchens“ an Innenminister Oberländer, die am 3. Juni 1848 in den Meißner Blättern abgedruckt wurde, aus dem Archiv geholt und viel in meiner Arbeit zitiert: „Meine Herren – wenn Sie sich mit der großen Aufgabe unserer Zeit: mit der Organisation der Arbeit, beschäftigen, so wollen Sie nicht vergessen, dass es nicht genug ist, wenn Sie die Arbeit für die Männer organisieren, sondern dass Sie dieselbe auch für die Frauen organisieren müssen!“

Gerade Anfang der 1990 Jahre begann ja die Massenarbeitslosigkeit hier in Meißen und Sachsen. Über die regionalen Frauenbiografien habe ich mir die Bedeutung von Geschichte für die Gegenwart und Zukunft ganz neu erschlossen. Als Gleichstellungsbeauftragte habe ich mich immer für die Frauen stark gemacht und dabei auch Louise Otto-Peters zitiert: „Ihr müsst an Euch denken, sonst geht es Euch wieder wie den Frauen vor 1848!“

Meißen 1994 Flyer des Louise Otto-Peters e.V.

April 2003 Frau Mayer auf der Porzellanwoche in der Meissner Partnerstadt Arita/Japan

Lebenswegstation 3

[M]eine Heimat

Als ich 1988 Mitglied im Domchor wurde, war ich überwältigt von dem Anspruch in der Literatur und im Gesang. Wir sangen viele großen Werke der Musikliteratur, am liebsten das Weihnachtsoratorium- heute singe ich es auswendig.

Der damalige Kantor hat alte Komponisten in der sächsischen Landesbibliothek aufgespürt und die Noten in Partituren gegossen. So haben wir mit ihm zum Beispiel Stücke von Karl Borromäus von Miltitz (1781-1845) gesungen. Diese Partituren mussten herausgegeben werden, deshalb wurde 2005 ein Verein zur Unterstützung des Domchores und dieser Verlagsarbeit gegründet, in dem ich 2015 den Vorsitz übernommen habe. Seitdem sind die Mitgliederzahlen von 20 auf 64 angestiegen. Hier erlebe ich in der Führungserfahrung, dass ich Menschen begeistern kann, und wie sie ihre Talente entfalten können. Ich käme nicht weiter, wenn ich sie nicht wertschätzen würde. Ich bin oft Ideengeberin und freue mich, wenn ich bei der Umsetzung links und rechts überholt werde. Das fühlt sich leicht und gut an. Uns verbinden die Musik und der christliche Glaube.

In meinem beruflichen Umfeld hingegen erlebe ich oft, dass mir die Bedenkenträger entgegentreten oder die Hierarchien und das Mittelmaß alles ausbremsen. So ist es in meinem Berufsleben für mich mit einer höheren Leitungsfunktion nie etwas geworden. Unser Verein hat 2015 eine Truhenorgel mitfinanziert, so dass es nun ein bewegliches Instrument im Dom gibt. Dass ich für den Ehrenpreis 2020 des Landkreises Meißen für verdienstvolles bürgerschaftliches Engagement vorgeschlagen wurde, nehme ich als meine ganz persönliche Auszeichnung!

26.11.2011 Aufführung des Weihnachtsoratoriums in der Meissner Partnerstadt Fellbach unter der Leitung von Kantor Thilo Frank. An der Truhenorgel Domkantor Jörg Bräunig († 16.11.2018)